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Veröffentlichungen

Über zwei Instanzen musst Du gehn...

5 Richter, 5 Meinungen.

 

Vor ziemlich genau vier Jahren hatte ein Vermieter Räumungsklage gegen eine Mieterin vor dem Amtsgericht Zossen eingelegt. Erst jetzt endete das Verfahren vor dem Landgericht Potsdam. Im Laufe des Prozesses ist die Mieterin, eine alleinerziehende Mutter von fünf Kindern, durch eine lange Zeit der Ungewissheit und Angst vor dem Verlust ihrer Wohnung gegangen. Nun steht fest, dass sie die Wohnung behalten kann. Man könnte daher an den Karat-Titel denken "Über sieben Brücken musst Du gehn" und umdichten in "Über zwei Instanzen musst Du gehn, vier dunkle Jahre überstehen…“.

Wir berichten von diesem Fall, weil er zeigt, dass es sich durchaus lohnen kann, durchzuhalten und bis zum Ende zu kämpfen. Die erste Instanz vor dem Amtsgericht zog sich außergewöhnlich lange hin, was daran lag, dass vier Richter nacheinander mit dem Fall zu tun hatten, ein Sachverständigengutachten eingeholt werden musste und diverse Zeugen gehört wurden. Insgesamt acht Kündigungen hatte der Vermieter vor und während des Verfahrens wegen verschiedener Vorwürfe ausgesprochen. Wäre am Ende nur eine von den Kündigungen wirksam gewesen, hätte die Mieterin verloren. 

Neben den vier Richtern des Amtsgerichts, die mit der Sache betraut waren, kam noch ein weiterer Richter vor dem Landgericht Potsdam hinzu, der sich im Berufungsverfahren mit dem Vorgang beschäftigte. Insgesamt hatten also fünf Einzelrichter im Laufe der vier Jahre über das Schicksal des Mietvertrages bzw. das Schicksal der Mieterin zu entscheiden. Jeder der fünf Richter hatte eine andere Meinung. Das mag nichts Neues sein, schließlich gibt es ja den Spruch „Zwei Juristen - drei Meinungen", gleichwohl führt dies in der Realität, insbesondere wenn es um etwas so wichtiges wie die eigene Wohnung geht, für den Betroffenen zu einem intensiven Wechselbad der Gefühle.

Zur Begründung seiner Kündigungen hatte der Vermieter ausgeführt, dass die Mieterin unter anderem den Garten unzureichend gepflegt hatte und die Wohnung verkommen habe lassen. Die erste Richterin legte weniger Wert auf den Vorwurf mangelnder Gartenpflege, sondern eher auf den Zustand der Wohnung und ließ hierüber ein Gutachten anfertigen. In dem Gutachten wurden die Vorwürfe des Vermieters nicht bestätigt. Die nächste Richterin hörte sich zehn Zeugen an, die den Zustand von Wohnung und Garten beschrieben. Für ein abschließendes Urteil wollte die Richterin noch einen elften Zeugen, der allerdings trotz mehrerer Ladungen nie erschien. Als sodann ein dritter Richter mit der Sache betraut war, erklärte dieser, dass nach seiner Auffassung kein einziger Kündigungsgrund allein ausreiche, dass allerdings mehrere Kündigungsgründe zusammen schon zur Kündigung berechtigen könnten. Das Verfahren wurde dann aber so lange verschoben, bis der Richter das Amtsgericht verließ. Die vierte Richterin sprach dann Knall auf Fall ein Urteil. Sie war der Auffassung, dass bereits die erste Kündigung wegen des ungepflegten Gartens ausreichte und die Mieterin ausziehen müsse. Diese legte Berufung ein.

Der mittlerweile fünfte Richter erörterte dann in der Berufungsverhandlung, dass höchstwahrscheinlich keine einzige Kündigung ausreichend begründet sei. Nach diesem Hinweis schlossen die Parteien einen Vergleich, nach dem das Mietverhältnis unbefristet fortbesteht. Ein Abschluss, der der Mieterin nach vier dunklen Jahren wie ein heller Schein vorgekommen sein dürfte.