Mit der Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.   Mehr Informationen   Verstanden

Veröffentlichungen

Einschreiben statt "blauer Brief"

Unser Gesetzgeber befindet sich im Rausch, im Gesetzgebungsrausch. Teils aus eigenem Antrieb, teils wegen Vorgaben der Europäischen Union werden neue Gesetze wie am Fließband produziert.

 

Zum 01.07.2002 trat eines davon in Kraft, das Zustellungsreformgesetz. Vor dem 01.07.2002 konnte das Gericht eine Zustellung nur durch Übersendung einer Postzustellung (blauer Brief) vornehmen. Der Brief musste direkt an den Empfänger oder Ehepartner ausgehändigt werden. Jetzt ist es möglich, die Postzustellung an erwachsene Familienmitglieder oder auch nur an Mitbewohner zu übergeben. Wenn niemand angetroffen wird, kann der Brief einfach in den Hausbriefkasten eingeworfen werden. Statt einer Postzustellung kann auch eine Übersendung eines Einschreibens mit Rückschein erfolgen. 

Mit einer Zustellung durch das Gericht werden Fristen in Gang gesetzt, wie z. B. die Frist zur Einlegung des Widerspruches gegen den Mahnbescheid oder zur Verteidigungsanzeige. Diese Fristen sind sehr kurz, sie betragen lediglich zwei Wochen. Wird die Frist verpasst, kann ein Versäumnisurteil erlassen werden. Besonders wichtig ist dabei, dass die Frist schon beginnt, wenn der Brief in den Hausbriefkasten eingeworfen wird, nicht erst mit der eigentlichen Kenntnisnahme durch den Empfänger. Dabei ist es egal, ob der Empfänger die tatsächliche Möglichkeit der Leerung seines Briefkastens hatte. Fährt also jemand in den Urlaub, hat er dafür Sorge zu tragen, dass der Briefkasten regelmäßig geleert wird und gegebenenfalls die "blauen Briefe" oder Einschreiben auch geöffnet werden. 

Darüber hinaus muss die Möglichkeit bestehen, mit dem Urlauber Rücksprache zu halten, so dass dieser Erklärungen gegenüber dem Gericht abgeben kann, um die Frist einzuhalten. Niemand kann sich darauf berufen, dass er zur Zeit der Zustellung im Jahresurlaub war. Die Frist ist dann versäumt und bleibt es auch. Wird nach dem Erhalt einer Zustellung durch ein Gericht ein Rechtsanwalt zur Beratung aufgesucht, so ist es sinnvoll, den Briefumschlag des zugestellten Schriftstückes zur Beratung mitzunehmen. Auf dem Briefumschlag muss das Zustellungsdatum durch den Briefträger vermerkt worden sein. Damit ist eine korrekte Fristenberechnung für den Rechtsanwalt möglich. 

Eine weitere Neuerung durch dieses Gesetz betrifft die Vereinfachung der Zustellung zwischen Rechtsanwälten und Gerichten sowie von Rechtsanwälten untereinander. Hier ist ab 01.07.2002 eine wirksame Zustellung per Fax möglich, ohne das Original mit der Post hinterherzuschicken. Die Zustellung nur per e-mail ist ebenfalls zulässig, sobald Gericht und Rechtsanwalt über die hierzu nötige Technik verfügen. Bei den meisten Rechtsanwälten ist dies heute schon der Fall. Die Gerichte werden hoffentlich in Zukunft verstärkt mit neuer Technik ausgestattet. In den nächsten Jahren dürfte sich hier einiges ändern, da bereits jetzt über Gerichtsverhandlungen per Videokonferenzen diskutiert wird, um oftmals lange Anfahrtswege zu ersparen. 

Man darf gespannt sein. Der Rechtsanwalt ist schon lange kein "Bücherwurm" mehr, die neuen Medien sind ein tägliches Arbeitsmittel.